Interview mit PD Dr. med. Rachel Würstlein - Haarverlust bei Brustkrebs

„Eine Perücke gibt den Patientinnen mehr Autonomie“ Erfahren Sie, warum der Haarverlust für Krebspatient*innen so belastend ist und wie Perücken helfen können.
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Autor*in:
Melanie Enderle
"Eine Perücke gibt den Patient*innen mehr Autonomie." -Frau PD Dr. med. Rachel Würstlein

PD Dr. med. Rachel Würstlein ist leitende Oberärztin am Brustzentrum des LMU Klinikums München Großhadern/Innenstadt. Das Brustzentrum bietet alle Komponenten einer modernen Brustkrebstherapie an und ist in der Forschung sehr aktiv. Ihre klinischen Schwerpunkte liegen unter anderem in der Therapieplanung von primären und metastasierten Mammakarzinomen und im Nebenwirkungsmanagement (supportive Therapie). Fr. PD Dr. Würstlein ist Beiratsmitglied bei Brustkrebs Deutschland e.V., Fachautorin für zertifizierte Brustzentren, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie: Kommission Mammakarazinom Supportive Maßnahmen in der Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft und ist in der Kommission der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie tätig.

Rachel Würstlein hat mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Krebspatienten*innen. Sie weiß, dass es in der Gesellschaft oft ein Stigma ist wenn jemand keine Haare mehr hat und dass Patienten*innen darunter leiden.

Was verbinden Sie persönlich mit dem Thema Haarverlust?

"Für mich ist es genauso normal, wenn jemand ohne Haare in die Sprechstunde kommt, wie mit Tuch, Perücke oder seinen eigenen Haaren. Aber wir erleben, dass es für die Patienten*innen ein wichtiges Thema ist. Die Reihenfolge ist immer: Muss die Brust entfernt werden, ja oder nein? Brauche ich Chemo, ja oder nein? Und wenn diese Fragen mit "Ja" beantwortet wurden, kommt immer:Verliere ich meine Haare, ja oder nein? Natürlich wissen wir, dass die Haare wieder wachsen. Aber das ist erstmal kein Trost."

Warum ist der Haarverlust so schlimm?

"Es ist ein großer Eingriff in die Persönlichkeit und in das Außenbild. Obwohl die Gesellschaft mittlerweile viel offener geworden ist, durch Medien oder den Umgang mit Schönheit oder Normen, der heute anders geworden ist, so gibt es schon noch dieses Schubladendenken. Wenn man jemanden sieht, der keine Haare hat, dann läuft sofort der ganze Film ab: die/derjenige hat Krebs."

Was ist wichtig für die Patienten*innen, wenn der Haarverlust beginnt?

"Die Patienten*innen sehen den Haarverlust beim Kämmen, im Waschbecken, auf dem Kopfkissen, sie sehen es, wenn sie sich in die Haare reinfassen. Es gibt den Frauen/Männern unheimlich viel, wenn da jemand einfach verständnisvoll bei der Beratung ist. Nicht allein zu sein ist jetzt sehr wichtig. Ebenso, dass die Patienten*innen die Anbindung an ein gutes Perückenstudio haben, dass ihnen gute Psychoonkolog*innen zur Seite stehen, dass einfach alle gut informiert sind."

Wie gehen Patienten*innen mit dem Haarverlust um?

"Wir haben zum einen die sehr selbstbewussten Frauen/Männer, die den Haarverlust offensiv formulieren. Zum anderen die Frauen/Männer, die niemals ohne Perücke und Schminke aus dem Haus gehen würden. Manche zeigen sich ohne Haare nicht mal dem Ehemann/-frau oder den Kindern. Die möchten nicht, dass der Haarverlust irgendwo thematisiert wird, selbst im Kreis der Familie."

Welche Sicherheit gibt den Frauen/Männern in dieser Situation die Perücke?

"Ich glaube, eine Perücke gibt den Patienten*innen (und manchmal auch Patienten mit Brustkrebs) mehr Autonomie. Ob sie in einem Gespräch mit einer Freundin, mit Familienmitgliedern oder auf der Arbeit in das Thema Krebs einsteigen wollen, oder nicht. Und wenn man eine gut gemachte Perücke hat, dann kann man es selbst entscheiden.
Das gibt den Patient*innen Selbstbestimmung.
Genau. Ich glaube daran, dass ein Mensch insgesamt zusehen muss, wie er/sie gut durch die Zeit der Therapie kommt. Und da gehört natürlich auch das Achten auf die Äußerlichkeiten dazu, aber auch das Achten auf soziale Kontakte, den Beruf oder sich weiter vollumfänglich um die Kinder zu kümmern. Und da, kann es eine super Hilfe sein, wenn man eben nicht auf das Thema Krebs angesprochen wird oder damit assoziiert wird."

Ab wann fangen die Haare wieder an zu wachsen?

"Bei sehr vielen Frauen/Männern bereits bei der Erstbehandlung, während die Chemo noch läuft. Bei vielen sind zum Zeitpunkt der OP- wenn wir erst Chemotherapie durchführen und dann operieren - die Haare schon wieder etwa Zentimeter lang. Das sind dann zwar oft die etwas borstigen, grauen Haare, aber die Patienten*innen sind natürlich erleichtert, dass wieder etwas wächst."

In unseren Haarstudios bieten wir volumed-Behandlungen speziell für die Kopfhaut an, um diese zu pflegen und das Haarwachstum anzuregen.

"Ich glaube, das ist ganz wichtig, denn die Frauen/Männer wollen ja etwas tun. Wenn man sie da unterstützen kann, ist das immer gut."

Wir bedanken uns für das interessante Interview:

-PD Dr. med. Rachel Würstlein

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